03. November 2025 | Marktberichte

Spezialthema - Einschätzung zum KI-Hype

Spezialthema - Einschätzung zum KI-Hype
Künstliche Intelligenz – Blase oder Revolution?

Die künstliche Intelligenz bewegt derzeit die Welt – nicht nur im Alltag, wo Chatbots auf fast jede Frage eine qualifizierte Antwort liefern, sondern auch an den Finanzmärkten. Unternehmen, die im Bereich der künstlichen Intelligenz führend sind, zählen seit einigen Jahren zu den grossen Gewinnern und beeindrucken mit einer atemberaubenden Kursentwicklung. Die mittlerweile sehr hohen Bewertungen spalten die Anlegergemeinde jedoch zunehmend: Während die einen vor einer Blase warnen, verweisen andere auf das enorme Potenzial, das in der Technologie steckt. Unbestritten ist, dass gegenwärtig gewaltige Summen in die Infrastruktur im Zusammenhang mit KI investiert werden, oft ohne, dass sich der konkrete Nutzen bereits klar abschätzen lässt. Nachfolgend nehmen wir eine Einordnung der Fakten vor.

Aus unserer Sicht lassen sich zwei Perspektiven unterscheiden: eine marktorientierte und eine thematische. Aus Marktsicht ist zu bedenken, dass die zehn grössten US-Unternehmen heute rund 39 % des US-Aktienmarktes repräsentieren. Acht davon stammen aus dem Technologiebereich und profitieren direkt oder indirekt vom KI-Boom. Das bedeutet, dass sich benchmarkorientierte Investoren diesem Thema kaum entziehen können, unabhängig von ihrer persönlichen Einschätzung zu KI. Die sogenannten «Mag7»-Unternehmen (Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) haben in den vergangenen drei Jahren eine deutliche Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt erzielt. Ein Verzicht oder auch nur eine Untergewichtung hätte in der Vergangenheit erhebliche Performancenachteile zur Folge gehabt.

Auf Einzeltitelebene zeigt sich, dass diese Unternehmen äusserst rentabel sind und ihre umfangreichen Investitionen grösstenteils aus dem freien Cashflow finanzieren können. Das verringert das Risiko, bei Fehlinvestitionen auf einem Schuldenberg sitzen zu bleiben. Gleichzeitig übersteigt die Nachfrage nach KI-Lösungen das Angebot nach wie vor deutlich, ein Ungleichgewicht, das sich wohl so schnell nicht auflösen wird. Expertinnen und Experten erwarten zudem, dass die künftige Nutzung von KI-Modellen noch deutlich mehr Rechenkapazitäten erfordert als das heutige Training.

Zu reden gaben zuletzt auch die sogenannten ZirkularDeals zwischen KI-Unternehmen und ihren Zulieferern. So unterstützt etwa Nvidia den Kunden OpenAI finanziell, damit dieser wiederum Nvidia-Chips kaufen kann. Solche Transaktionen haben den Hype zusätzlich befeuert. Solange die wirtschaftlichen Perspektiven für KI positiv bleiben, funktioniert dieses Modell. Sollte es jedoch etwa OpenAI nicht gelingen, ein profitables Geschäftsmodell zu etablieren, könnte dies eine negative Kettenreaktion auslösen.

Unbestritten ist, dass die Erwartungen an die Branche hoch sind, wovon die anspruchsvollen Bewertungen zeugen. Doch die jüngsten Geschäftszahlen waren stark, die Gewinnrevisionen zeigen weiterhin nach oben, und die sinkenden US-Zinsen rechtfertigen für wachstumsstarke Unternehmen zusätzlich höhere Bewertungen. Gleichzeitig sind die Rezessionsängste in den USA zuletzt merklich zurückgegangen.

Trotz dieser positiven Faktoren bestehen ernstzunehmende Risiken. Dazu gehören mögliche Renditeausfälle, schwächere Einnahmen bei führenden KI-Unternehmen wie OpenAI oder Engpässe in der Energieversorgung. Auch die Geschäftsmodelle von Microsoft, Amazon und Alphabet entwickeln sich in Richtung höherer Kapitalintensität. Auf der anderen Seite eröffnen sich grosse Chancen für die USA, während insbesondere Europa das Risiko trägt, technologisch zurückzufallen. Ob sich eine Blase gebildet hat und wann sie gegebenenfalls platzen könnte, lässt sich derzeit nicht abschliessend beurteilen.

Trotz aller Unsicherheiten bleibt festzuhalten: Die künstliche Intelligenz ist kein vorübergehender Trend, sondern ein struktureller Wachstumstreiber mit enormem wirtschaftlichem Potenzial. Kurzfristig dürften jedoch Rückschläge und stärkere Schwankungen nicht überraschen, zumal die Bewertungen anspruchsvoll sind. Langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger sollten das Thema deshalb als strategische Chance begreifen, ohne das Risikomanagement aus den Augen zu verlieren.